Lutz Gode - Ausstellung 22.09.2023 bis 27.10.2023 | weitere Bilder folgen unten
Der fantastische, tolle Lutz Gode hat uns als großer Maler diese unvergessliche Ausstellung ermöglicht.
Vorwort von:
Prof. Dr. Stephan Berg
Intendant | Director
KUNSTMUSEUM BONN
WELTTHEATER
Zu besichtigen ist das Werk eines bislang vom Kunstbetrieb Vergessenen. Lutz Gode, 1940 in Beuthen geboren war zu jung, um sich in die Phalanx der Maler der sogenannten Leipziger Schule, Werner Tübke, Wolfgang Mattheuer, Bernhard Heisig oder Willi Sitte einzureihen. Aber auch mit den Malern seiner Generation, man denke etwa an Volker Stelzmann, Sieghard Gille, Wolfgang Peuker oder den einflussreichen Akademielehrer Arno Rink, verbindet ihn wenig, außer das bei allen Genannten vorherrschende Primat der Figuration. Der Wirkungskreis des Malers, der sein Studium an der HfBK Dresden absolvierte und anschließend ab 1965 fast 40 Jahre - misstrauisch observiert von der Stasi - an der Pädagogischen Hochschule in Erfurt lehrte, ist bislang eng umrissen. Abgesehen von wenigen kleinen Präsentationen im Westen der Republik beschränkt sich sein Ausstellungsradius auf Erfurt, Gotha, Saalfeld und das erweiterte regionale Umfeld. Umso verdienstvoller, dass nun mit der Ausstellung im neu eröffneten Wasserturm (Anm.: 2023) auch hier endlich Gelegenheit besteht, dieses hoch eigensinnige Werk näher kennenzulernen.
Was sich auf bis zu sechs Meter langen Bildfeldern ausbreitet ist ein Theatrum Mundi, das von mythisch-allegorischen Szenerien bis hin zu direkter Gesellschaftskritik, von kunsthistorisch inspirierten Porträts bis hin zu explosiven floralen Darstellungen reicht. Im Mittelpunkt dieser malerischen Welt, die nicht von ungefähr immer wieder auch das Motiv des Narrenschiffs als Metapher für unsere Welt benutzt, steht der Mensch in seiner buchstäblich nackten, ausgelieferten Existenz. Das ist als Thema nicht neu, aber die hochexplosive Mischung aus expressiv-expansivem malerischen Furor und disziplinierter zeichnerischer Lineatur, mit der Gode seine Inhalte auflädt, sorgt in seinen besten Bildern (von denen es viele gibt), für eine geradezu atemlose Bildspannung. Natürlich lassen sich für diese malerische, bisweilen auch wütende Tour de Force Vorbilder von Pieter Brueghel über Hieronymus Bosch bis Francisco de Goya und Francis Bacon benennen.
Wichtiger aber scheint es festzustellen, dass die Virtuosität, mit der das über die Linie entwickelte Figurenpanorama durch eine ganz ihren eigenen Gesetzen gehorchende Farbigkeit von ihrer strengen zeichnerischen Diktion erlöst und in einen größeren abstrakten Zusammenhang gestellt wird, dem großen historischen Malerwettstreit zwischen disegno (Linie) und colore (Farbe) eine weitere interessante Facette hinzufügt. Bei Gode, der ein ausgezeichneter Zeichner, aber eben auch ein begnadeter Kolorist ist, durchdringen sich beide Bildhaltungen vollständig, ohne sich dabei auszulöschen oder aufzuheben. Figuration wird vor diesem Hintergrund zu einem labyrinthisch-mäandernden Prozess, in dessen Verlauf ihre ursprünglich feste Kontur permanent destabilisiert und für die hereinströmende Farbe geöffnet wird, die wiederum eine ganz eigene Logik entfaltet.
So kompakt und zudem von einem starken Horror Vacui geprägt die Bilder auch sind, so wenig gewähren sie ihren Figuren, wie auch dem betrachtenden Auge irgendeinen verbindlichen Halt. In dem tobenden Durch- und Miteinander von Farb- und Zeichenspuren gelingt ihnen stets nur eine bewusst gesuchte prekäre, fragile Balance. Diese strukturelle Instabilität des Bildaufbaus korrespondiert mit häufig auftauchenden Vanitas-Symbolen, wie dem Motiv der Blinden in einer monumentalen Arbeit aus dem Jahre 1999 oder den wiederkehrenden Skelett-Darstellungen, in denen der Tod beispielsweise in eisigem Blau hinter orangerot leuchtenden Frauenkörpern auftritt.
Jenseits dieser Vanitas-Welt gibt es aber auch einen Lutz Gode zu entdecken, der seinen Malerei-Zeichnungs-Wettstreit ganz aus dem Feld der figurativen Erzählfragmente in das Reich der Abstraktion verlegt. Hier, wo Gode dem weißgrundierten Bildgrund bisweilen größeren Freiraum zugesteht, gelingen ihm faszinierende equilibristische Drahtseilakte zwischen Verdichtung und Auflösung. Buntstiftkrakel, Kreidelinien und Bleistiftgespinste formulieren Einschreibungen, die vage an Cy Twombly erinnern und sich zugleich mit sparsam gesetzten Farbflecken zu einem nahezu schwebenden Feld voller luzider Uneindeutigkeiten verbinden. Es sind die gelöstesten Arbeiten in diesem beeindruckenden Malgebirge, weil sie sich trauen loszulassen, und der eigenen Spur des Bildes folgen, anstatt ihm diese vorzugeben. Insoweit verwirklicht sich hier auch das, was Gode in einem seiner Gemälde in ein fragmentiertes Farbmeer mit gelben, aus dem Bildgrund leuchtenden Buchstaben geschrieben hat: Zufalls Glück ist frei.
Prof. Dr. Stephan Berg
Lutz Gode:
20.09.1940 in Beuthen geboren
1956 - 1959 Studium an der ABF für bildende Kunst in Dresden, Lehrer Otto Griebel, Rolf Krause, Franz Tippel
1959 - 1960 Arbeit als Gießer im VEB TuR in Dresden
1960 - 1965 Studium an der Hochschule für Bildende Künste in Dresden, Diplom für Wandmalerei, Lehrer Prof. Hesse, Prof. Lohmar, Prof. Kettner
1965 - 2004 Lehrstelle für künstlerisches gestalten an der PH Erfurt, bzw. UNI Erfurt
1968 - 1991 Mitglied des VBK-DDR
1991 - 2000 Mitglied im VBK Thüringen e.V.


